Seit über 20 Jahren ist das deutsche Rennteam Four Motors Vorreiter in Sachen nachhaltiger Motorsport. In ihren Bioconcept-Cars setzen sie auf innovative Materialien wie Naturfasern und recycelte Öle sowie auf alternative Kraftstoffe mit geringem CO₂-Fußabdruck. Getestet werden diese Innovationen unter härtesten Bedingungen auf der legendären Nürburgring-Nordschleife.
Der Schweizer Marc Schöni hat sich schon im Kindesalter mit dem Motorsportfieber infiziert. Und es war schon immer sein Traum, auf der Nordschleife zu fahren. Bei Four Motors machte er 2022 sein Permit und sitzt seither hinterm Steuer des Porsche 718 Cayman GT4 Clubsport. Wie alle anderen Fahrer von Four Motors ist auch Marc Schöni ein Verfechter der Nachhaltigkeit im Motorsport. Zudem beschäftigt er sich beruflich intensiv mit Künstlicher Intelligenz (KI).
In diesem Interview spricht er über die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit, wie KI dazu beitragen kann, den Motorsport ressourcenschonender und effizienter zu machen und warum dieser Wandel für den Rennsport entscheidend sein kann.
Marc, du bist ein alter Hase im Motorsport und bist durch deinen Vater, der Motorsport-Journalist war, schon von Kindheitstagen mit dem Thema aufgewachsen. Wie hat sich der Nachhaltigkeitsaspekt seit deinen Anfängen entwickelt?
Nachhaltigkeit ist für mich erst in den letzten 10 Jahren so richtig zu einem Thema geworden, als wir Kinder hatten. Das hat automatisch mit sich gebracht, dass ich mir mehr Gedanken darüber gemacht habe, losgelöst vom Motorsport. In jüngeren Jahren habe ich zwar viel Motorsport geschaut, war aber selber noch nicht aktiv. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, dass in den 80er Jahren im Fernsehen jemals über Nachhaltigkeit gesprochen wurde. Zu dieser Zeit hat mich der Motorsport natürlich wegen der schnellen Autos und dem Wettbewerb fasziniert, aber auch wegen der technischen Entwicklung.
In der Schweiz werden Umweltschutz und Nachhaltigkeit großgeschrieben. Wie reagieren Menschen in deinem Umfeld, dass du im Motorsport aktiv bist?
Bislang gab es noch keine negative Reaktion darauf. Es lässt sich aber schon feststellen, dass vor allem in städtischeren Gebieten „grüner“ gedacht und gelebt wird, zum Beispiel in Zürich. Hier trifft man nicht selten auf Leute, die kein Auto besitzen oder brauchen, was natürlich für den Standard des öffentlichen Verkehrs spricht. In dem Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin, drehte sich allerdings vieles ums Auto. Dass Nachhaltigkeit und Motorsport nicht per se Gegensätze sind, und dass Four Motors hier ein Pionier ist, ist für die meisten neu. Und dass es beispielsweise pflanzenbasierte Verbundstoffteile gibt, die einen 10 Mal kleineren CO₂-Fußabdruck in der Herstellung aufweisen, ist für viele eine positive Überraschung.
Autorennen waren bis 2022 in der Schweiz viele Jahrzehnte lang verboten, ausgenommen elektrischer Motorsport. Würdest du sagen, dass nachhaltiger Motorsport helfen kann, die Akzeptanz in der Schweizer Bevölkerung für diesen Sport zu erhöhen?
Davon bin ich überzeugt! Früher spielte der Motorsport eine wichtige Rolle in der Erprobung von neuartigen Bauteilen oder Konzepten. Über die Jahrzehnte ist ihm diese Eigenschaft abhandengekommen und er ist zu einem eigentlich sinnfreien ‚Im Kreis fahren‘ verkommen, wo riesige Marketingbudgets reinfließen und verpuffen. Gelingt es, ihn als Versuchsbett für nachhaltige Technologien und Konzepte umzufunktionieren, wäre das der Akzeptanz mehr als dienlich.

Was kann im Motorsport kurzfristig getan werden, damit das Interesse in der breiten Bevölkerung und vor allem bei der jungen Generation wieder wächst?
Allgemein lässt sich festhalten, dass der Motorsport sich größerer Beliebtheit erfreut, was zu einem großen Teil dem Erfolg der Netflix-Serie „Drive to survive“ zu verdanken sein dürfte. Ich kann mir auch vorstellen, dass künftige Generationen, die mit einem wachsenden Anteil Elektroautos auf der Straße aufwachsen, den Klang eines hochdrehenden Motors nicht vermissen würden. Insbesondere bei der jüngeren Generation glaube ich deshalb, dass nachhaltiger Motorsport auf Resonanz stoßen würde. In den großen und publikumswirksamsten Meisterschaften, wie der Formel 1 und auch der Langstrecken-WM WEC, ist das Thema mittlerweile angekommen, wird aber kommunikativ nicht wahrgenommen. Die WEC beispielsweise fährt bereits mit einem Kraftstoff ohne fossilen Anteil. Den meisten Fans dürfte das jedoch gar nicht bekannt sein.
KI ist zur Zeit in aller Munde. Du befasst dich beruflich seit bald 15 Jahren mit dem Thema KI – also schon lange vor dem Boom. Könnte man mit KI die Entwicklung der Nachhaltigkeit im Motorsport unterstützen, und wenn ja, wo siehst du hier die Stellschrauben mit den größten Erfolgsaussichten?
KI wird bislang primär aus wirtschaftlichen Beweggründen verwendet – meist um bestehende Prozesse effizienter zu gestalten oder ganz zu automatisieren. Ich sehe jedoch immenses Potential bei der Nachhaltigkeit, im Allgemeinen wie auch im Motorsport. Vielerorts fehlt noch das Verständnis dafür, dass eine wichtige Voraussetzung, um KI anzuwenden, qualitativ hochwertige Daten sind. In neueren Fahrzeugen, wie den von uns auf der Nordschleife eingesetzten Porsche, sind moderne Systeme verbaut, die mehrmals pro Sekunde zahlreiche Fahrzeugparameter aufzeichnen. Soll beispielsweise KI dazu verwendet werden, den Reifenverschleiß besser zu verstehen oder gar zu prognostizieren – und schlussendlich zu minimieren- braucht es noch weitere Reifendaten, die heute noch nicht kontinuierlich erhoben werden können.
Spannenderweise könnte hier die KI Abhilfe schaffen und während der Fahrt nicht messbare Daten, wie die noch vorhandene Lauffläche des Reifens, abschätzen. Grundsätzlich glaube ich allerdings, dass der Motorsport nur dann wirklich in der Breite nachhaltiger wird, wenn dieser Aspekt ins Reglement einfließt. Analog zu Zeitstrafen könnte beispielsweise ein Zeitbonus vergeben werden, wenn ein Team nur eine gewisse Anzahl Reifensätze pro Rennen verbraucht oder einen gewissen Benzinverbrauch pro Runde nicht überschreitet. Auch bei der Festlegung dieser Referenzwerte könnte die KI helfen.