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Nachhaltiger Motorsport: Drei Fragen an Matthias Beckwermert 

Innovativ und umweltbewusst – während viele glauben, dass Rennsport und Nachhaltigkeit unvereinbar sind, beweist Four Motors das Gegenteil. Seit 2003 setzt das Team – als erstes Rennteam Deutschlands – konsequent auf zukunftsweisende Mobilitätskonzepte und bricht mit traditionellen Denkmustern. In ihren Porsche Bioconcept-Cars erprobt das Team nachhaltige Technologien unter härtesten Bedingungen in der Nürburgring Langstreckenserie (NLS). Auch die Four Motors-Fahrer verkörpern diese zukunftsweisende Philosophie und stehen als überzeugte Botschafter für einen nachhaltigen Motorsport. 

Matthias Beckwermert machte mit nur 15 Jahren seine erste Rennlizenz und später seine Leidenschaft zum Beruf. So berät er seit vielen Jahren als Senior-Instruktor weltweit namhafte Automotive-Partner und steuert seit 2019 den Porsche Cayman GT4 Clubsport von Four Motors durch die berüchtigte ‚Grüne Hölle‘. Wir haben ihm drei Fragen zu seiner Vision eines nachhaltigeren Motorsports gestellt.

Matthias, mit über 20 Jahren im Motorsport hast du schon einige Entwicklungen miterlebt. Würdest du sagen, der Motorsport steht heute besser oder schlechter da als zu deinen Anfängen? 

„Das ist eine gute Frage, deren Antwort sehr vielschichtig ist. Für die  Zuschauer ist der Motorsport durch eine Vielzahl an Kanälen erreichbarer geworden. Heute kann man nahezu alle Rennen rund um die Welt im Stream erleben, meist sogar kostenlos. Das ist eine gute Entwicklung, zumal ich als Zuschauer weiß, worauf ich mich freuen kann.

Aus Herstellersicht ist die Entwicklung auch sehr positiv. Der GT3-Sport boomt weltweit. Traditionell haben Werke neue Technologien im Motorsport entwickelt und auf die Straße gebracht. Das passiert nach wie vor, auch im Bereich der Nachhaltigkeit, jedoch könnte insbesondere hier noch viel mehr getan werden.

Aus Teamsicht hat sich dadurch auch einiges getan. Heute kauft man fertig entwickelte Rennautos, die technisch zuverlässig sind und durch die ‚Balance of Performance‘ auf nahezu identischem Niveau unterwegs sein können. Für die Fahrer sind heutige Autos  bedienerfreundlicher geworden. Einem ambitionierten Amateur fällt es durch Paddle-Shift, automatisiertes Zwischengas, ABS, Traktionskontrolle und sogar ESP deutlich leichter, den Einstieg in den Motorsport zu schaffen und schnell auf  konstante Rundenzeiten zu kommen.

Beim Coaching in historischen Rennautos sehe ich, dass der Umgang mit Fahrphysik ohne Assistenzsysteme eine ganz andere Sportart zu sein scheint. Ich persönlich wünsche mir Autos zurück, die den Fahrer mehr fordern – ich mag es, wenn etwas mehr Musik drin ist.“

Du bist ein Verfechter der Nachhaltigkeit, nicht nur im Motorsport, sondern auch im Privatleben. Wie hast du die Entwicklung der Nachhaltigkeit in deiner aktiven Fahrer-Laufbahn erlebt?

„Ich war nie Raucher, Fashion-Victim oder Fast Food-Fan. Aber jeder Mensch hat seine Laster. Meins war immer der Motorsport. Als junger Mann machst du dir nicht so viele Gedanken um die Nachhaltigkeit. Aber je mehr ich  die Welt gesehen und an wunderschönen Stränden in einem Meer aus Plastik-Müll gebadet habe, umso mehr kam das Verständnis, nicht auf andere zu zeigen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes vor der eigenen Türe zu kehren und selbst seinen kleinen Teil beizutragen.

Durch meinen Mentor und Teamchef Tom von Löwis, der mich damals zu Four Motors geholt hat, habe ich mich immer mehr in diese Themen einarbeiten können. Was wir bei Four Motors in den Jahren bevor es hip wurde, sich “nachhaltig“ auf die Flaggen zu schreiben, schon alles bewegt haben, sucht seinesgleichen. Viele von den nachhaltigen Lösungen, die bei uns eingesetzt werden, könnte man direkt in die Breite bringen. Was daraus wird, liegt nicht in unserem Händen. Aber wir haben den ersten Schritt gemacht und vertrauen auf starke Partner, die den Einfluss und die Ressourcen haben, mehr daraus zu machen.“

Die Automobilindustrie, vor allem in Deutschland, steckt in der Krise. Kannst du dich an ähnliche Situationen in der Vergangenheit erinnern und wenn ja, ihre Auswirkungen auf den Motorsport? Wie war der Weg aus der Krise?

„Was gerade in der deutschen Politik und  Wirtschaft, und damit auch in der Automobilindustrie passiert, ist ein abendfüllendes und für mich schon verängstigendes Thema. Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hängt an der weltweit starken und geschätzten Automobilindustrie. Die Gründe für die heutige Situation sind vielschichtig und komplex.

Wenn du nach etwas Vergleichbarem aus der Vergangenheit suchst, ist es vielleicht die Erfindung des Automobils und die damit verbundene Ablöse von Pferd und Kutsche. Das passierte auch nicht von heute auf morgen und es gab Gegner und Befürworter. Das Auto hat sich durchgesetzt und weiterentwickelt. Das Pferd verschwand aber trotzdem nicht. Pferdesport gibt es bis heute und das gibt mir Hoffnung, dass auch der Motorsport eine Zukunft haben kann. Dafür brauchen wir eine Daseinsberechtigung, nämlich nachhaltige Lösungen, die im Motorsport entwickelt werden und die dem Nutzer eines Autos und der Umwelt zugutekommen.“