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Tom von Löwis: „In Sachen Nachhaltigkeit hinkt die Automotivebranche Lichtjahre hinterher“

Tom von Löwis, Geschäftsführer und Rennfahrer von Four Motors war zu Besuch auf der diesjährigen Automechanika in Frankfurt. Dabei ist ihm aufgefallen, dass sich im Vergleich zu 2022 viele Unternehmen aus den unterschiedlichsten Automotive-Branchen „grün“ präsentieren – mit Pflanzen (oder künstlichen Pflanzen), nachhaltigen Produkten, etc… Auf der Webseite der Automechanika selbst kann man dazu lesen „Nachhaltigkeit. Entdecken Sie in vielen Facetten den Megatrend auf der Automechanika 2024.“

Four Motors setzt seit ihrer Gründung im Jahr 2003 auf nachhaltige Technologien in seinen Rennautos. Die sogenannten „Bioconcept-Cars“ dienen als Erprobungsplattform für umweltfreundlichere Lösungen in der Mobilität. In der Nürburgring Langstrecken Serie (NLS) fahren die drei Porsche des Teams mit recycelten Motor- und Getriebeölen, einem E20-Plus-Sonderkraftstoff, Naturfaserleichtbauteilen und Recycling-Felgen. Tom von Löwis, Geschäftsführer und Fahrer bei Four Motors, plädiert dafür, dass mehr Teams Kraftstoffe mit biogenen Anteilen und weitere nachhaltige Technologien einsetzen, damit der Motorsport wieder eine Innovationsplattform wird, die nachhaltige Technologien testet und schneller auf die Straße bringt. Im nachfolgenden Interview spricht er darüber, wie Anreize geschaffen werden können, dass Nachhaltigkeit im Motorsport mehr Akzeptanz findet, zeigt auf, wo dies bereits gut funktioniert, und wirft die Frage auf, wieso die Deutschen sich so hartnäckig weigern, z.B. biogene Kraftstoffe zu nutzen.

Ist die starke Präsenz des Themas Nachhaltigkeit auf der Automechanika ein positives Zeichen?

Tom von Löwis: „Schon alleine die Bezeichnung „Megatrend“ in dem Zusammenhang zeigt, wie viele Lichtjahre die Branche hinterherhinkt. Und es lohnt sich genau hinzuschauen, weil es auch viel Greenwashing gibt. Gleichzeitig ist es nie zu spät, den ersten Schritt zu machen, wenn es um nachhaltige Mobilität geht und es ist gut, dass hier endlich Bewegung in die Sache kommt… Ich bin der Überzeugung, dass der Weg, nur auf ein Pferd zu setzen – wie den Elektroantrieb – uns in eine Sackgasse führt. Laut Kraftfahrzeugbundesamt gab es Anfang 2024 gut 44 Mio. zugelassene PKW mit Verbrennungsmotor in Deutschland. Ziel sollte sein, die Bestandsflotte so schnell wie möglich schon jetzt nachhaltiger zu gestalten. Und dafür gibt es diverse Ansätze – auch jenseits des Antriebsstrangs. Wir testen seit 2003 nachhaltige Technologien auf der härtesten Rennstrecke der Welt – der Nürburgring Nordschleife. Die Extrembedingungen der Langstrecke bietet optimale Möglichkeit.“

In der diesjährigen NLS-Saison gab es bis zu acht Fahrzeuge in der AT-Klasse (Alternative Treibstoffe). Ist das eine positive Entwicklung?

Tom von Löwis: „Es gab mal eine Zeit, da fuhren bis zu 24 Autos in der AT-Klasse. Anfang 2016 hatten wir dann nur noch ein Auto. Dass es jetzt endlich wieder mehr werden, ist natürlich eine gute Entwicklung, da geht aber noch mehr. Die Hersteller müssen sagen: ‚Ja, wir gehen den Schritt, nachhaltigen Treibstoff im Motorsport zu testen, zu fahren und weiterzuentwickeln.‘ In fast allen Motorsportbereichen werden seit ein, zwei, drei Jahren nachhaltige Kraftstoffe gefahren, so zum Beispiel DMT, GT Masters, WEC, IndyCar, NASCAR … Die meisten Serien und Meisterschaften benutzen dabei Sonderkraftstoffe, die, wie auch der aktuelle Kraftstoff von Four Motors, aus verschiedenen Gründen wie Verfügbarkeit, Preis, etc. kurzfristig nicht für den Endverbraucher zur Verfügung stehen werden. Gleichzeitig ist es ein wichtiger Faktor unseres Konzepts, Technologien zu erproben, die auch in der Straßenserie eingesetzt werden können. Deshalb möchten wir unser Augenmerk hinsichtlich des Kraftstoffs darauflegen, eine nachhaltige Lösung zu finden, die zeitnah für jedermann zur Verfügung stehen könnte. Diese Entwicklung käme dann allen Teams zugute, und wenn der Preis stimmt, würden auch mehr NLS-Teams nachziehen.“

Der Porsche 911 GT3 Cup (Typ 992) fährt wie alle Bioconcept-Cars von Four Motors mit E2-Plus-Kraftstoff. © Four Motors / ElfImages
Der Porsche 911 GT3 Cup (Typ 992) fährt wie alle Bioconcept-Cars von Four Motors mit E2-Plus-Kraftstoff. © Four Motors / ElfImages

Wie können hier Anreize geschaffen werden?

Tom von Löwis: „Für alle Hersteller gehört Nachhaltigkeit mittlerweile nicht nur zum guten Ton, sondern ist ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur. Das wird auch mehr und mehr bei den Teams ankommen, denn wenn sich nicht um Nachhaltigkeit und Umwelt gekümmert wird, wird es den Motorsport nicht mehr lange geben. Ich fände es gut, wenn die NLS selbst den nächsten Schritt ginge, und zum Beispiel einen E20-Kraftstoff für alle Teilnehmer vorschreibt. Das wäre technisch für alle Verbrenner leistbar und würde gleich 20% weniger CO2 bedeuten. Das effizienteste Mischverhältnis für heutige Verbrenner liegt bei 23%-24% Beimischung von Ethanol zu fossilem Benzin. Das könnte man dann durch andere Komponenten wie beispielsweise eFuel-Beimischungen, sobald verfügbar, ausbauen.“

Gibt es Beispiele aus anderen Serien, wo das bereits gut funktioniert?

Tom von Löwis: „Die IndyCar Serie in den USA fährt mit einem B100 Kraftstoff. Wer schon mal ein IndyCar-Rennen gesehen hat, weiß, dass bei jedem Tankstopp der Name des Kraftstoffherstellers fällt. Das müsste man auch bei uns viel mehr promoten, damit die Leute verstehen, dass im Motorsport viele Entwicklungen sehr viel früher getestet werden, bevor sie auf die Straße kommen. Und wenn das auf den härtesten Rennstrecken der Welt funktioniert, dann tut es das auch überall in Straßenautos.“

Kann der E20-Kraftstoff aus dem Motorsport ohne Anpassung in einem serienmäßigen Motor gefahren werden?

Tom von Löwis: „Ja. Alle Benziner ab Baujahr 2011 vertragen laut ADAC E10 problemlos ohne Anpassungen. Die gleichen Erfahrungen haben wir mit E20 gemacht. In Bezug auf Effizienz und Leistung ist eine 24%-Beimischung von Ethanol zum fossilen Kraftstoff das optimale Verhältnis für heutige Ottomotoren, was rund 20% CO2 und ca. 70% Feinstaub einspart.“

Four Motors‘ Sustainable Technologies

Recycling Öle Die reraffinierten Motoren- und Getriebeöle, die Four Motors bei den Langstreckenrennen am Nürburgring verwendet, sind maßgeschneiderte Formulierungen. Dadurch sind die reraffinierten Schmierstoffe zu einer tragenden Säule des Nachhaltigkeitskonzeptes von Four Motors geworden und unverzichtbarer Bestandteil des Gesamtpakets. Durch den erfolgreichen Einsatz tragen die grünen Pioniere nicht nur zur Forschung und Entwicklung, sondern auch zur weiteren Verbreitung dieser umweltschonenden Technologie bei: Der Einsatz dieser Öle, z.B. im Maschinenbau oder im Motorenbereich, reduziert den CO₂-Footprint erheblich und hilft so, den Klimawandel zu verlangsamen. Und je mehr Unternehmen bei dieser Initiative mitmachen, desto mehr wertvolle Rohstoffe können eingespart werden. CO₂-Einsparung: bis zu 80% Partner:
Wolf Oil
Tecoil
E20-Plus-Kraftstoff Beim aktuellen E20-Plus-Kraftstoff des Teams handelt es sich um eine Sonderformulierung mit 60% biogenen Anteilen, die speziell für die Erprobung in den Bioconcept-Cars am Nürburgring entwickelt wurde. Die Basis bildet ein so genanntes Blue Gasoline von Shell, das zu 40 % aus erneuerbaren Komponenten, Rest- und Abfallstoffen sowie 10% regenerativem Ethanol von CropEnergies besteht. Dieser Kraftstoff kann über Shell bezogen werden. Für diesen Kraftstoff wurden dem Blue Gasoline weitere 10% Reststoff-Ethanol beigemischt, so dass das Team wie beim Super-Plus, das von den anderen Teams eingesetzt wird, auf über 100 Oktan kommt. CO₂-Einsparung: ca. 40% Partner:
CropEnergies
Shell
Bio-Leichtbauteile Die Leichtbauteile von Four Motors werden aus Flachsfaser-Verbundwerkstoffen hergestellt. Je nach Auswahl und Zusammenstellung der Materialkomponenten kann die Gesamtperformance gezielt an die Belastungssituation des jeweiligen Bauteils angepasst werden, sodass die Bio-Leichtbauteile eine nachhaltige Alternative zu den gewöhnlich im Leichtbau verwendeten Glas- und Kohlefasern.
Die intensive Entwicklungsarbeit trägt Früchte – der Nachfolger des Porsche Cayman GT4 Clubsport, das neuste Four Motors Bioconcept-Car: Der 718 Cayman GT4 setzte als erstes in Serie gefertigtes Rennfahrzeug auf nachhaltig hergestellte Karosserieteile.
CO₂-Einsparung: bis zu 90% Partner:
Bcomp
Porsche
FraunhoferWKIGefördert vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe
Rund ums Rad Bei den innovativen, nachhaltigen Racing-Felgen der Four Motors Bioconcept-Cayman werden über zwei Drittel des Primäraluminiums durch Recycling-Material ersetzt. Die Felge wird außerdem mit grünem Strom in der EU hergestellt.
Diese neuartigen Felgen verwendet Four Motors in Verbindung mit langlebigeren Reifen und neuartigen abriebärmeren Bremsbelägen.
CO₂-Einsparung: ca. 50% Partner:
Felgen: Ronal Group
Reifen: Michelin
Bremsbeläge: Pagid Racing